Merzig (28.07.2017) – Die Berichterstattung des RTL Nachtjournals spezial vom 27.07.2017 sowie der Beitrag von CORRECTIV „Die Medikamente der Anderen“ vom 28.07.2017 basieren auf falschen Behauptungen und sind interessengeleitet konstruiert.
Dem Parallelhandel als Branche und dem namentlich genannten Marktführer kohlpharma im Besonderen wird vorgeworfen, für Knappheiten auf dem rumänischen Arzneimittelmarkt verantwortlich zu sein. Schon der Ausgangspunkt der konstruierten Geschichte ist schlicht falsch. Die im den Beitrag genannten Präparate Trileptal, Humira und Avastin waren nach schriftlicher Bestätigung eines marktführenden rumänischen Großhändlers uns gegenüber in den letzten Monaten voll lieferfähig. Dem Hauptvorwurf des Beitrages, dass der Arzneimittelimport somit unmittelbar zu Knappheiten in Rumänien führt ist damit jedwede Basis
entzogen.
kohlpharma weist die Vorwürfe entschieden zurück und kritisiert diese unseriöse Machart sowie die tendenziöse, selektive und im Grundsatz falsche
Berichterstattung.

  1. Zu den Inhalten der Reportage/des Beitrages im Einzelnen Knappheiten gab es im Recherchezeitraum bezogen auf die drei genannten Produkte in Rumänien nicht. Knappheiten von Arzneimittel kommen gelegentlich in allen Märkten vor und basieren auf mangelnder Belieferung der Hersteller, die unterschiedlich begründet sein kann (z.B. Produktionsprobleme oder Probleme der Supply Chain).
    Auch die EMA (European Medicines Agency) hat sich verschiedentlich, zuletzt im Dezember 2015, in einem Papier mit dem Titel „Developing a proactive approch to the prevention of medicines shortages due to manufacturing and quality problems“, mit dem Problem und seinen Ursachen befaßt. Arzneimittel Re- und Parallelimport werden nicht als Problem benannt.
  2. Zwar verschweigen die Redakteure aus nicht nachvollziehbaren Gründen den wirklichen Namen des Patienten (warum anonymisieren, wenn er doch alles für seinen Sohn tun würde), auf der der rumänischen Apotheke vorgelegten Rezeptkopie ist aber klar der Name des 14jährigen Alexandru Bordea zu lesen. In dem RTL Beitrag überreichen die Redakteure dem Vater des Jungen das angeblich aus Deutschland mitgebrachte, dringend benötigte Trileptal. Tatsächlich liegt aber dann das rumänische Trileptal auf dem Tisch, das dann wohl doch verfügbar war.
    Der Apotheke legen sie kein Originalrezept vor, sondern eine Kopie eines Rezepts, auf dem Trileptal in zwei Wirkstärken, nämlich 300 mg und 600 mg für denselben Patienten verordnet war. Das ist keine sinnvolle Medikation und läßt vermuten, daß es sich um ein Fake- Rezept handelt. Sie verschweigen der Zuhörerschaft und den Lesern weiterhin, daß Trileptal mit dem Wirkstoff Oxcarbazepin in Deutschland generisch ist und dieser Wirkstoff von zahlreichen generischen Firmen zu deutlich geringeren Preisen angeboten wird. In dem als „Arzneimittel-Schlaraffenland“ bezeichneten Deutschland wird allenfalls
    Privatpatienten Trileptal verordnet. Versicherte der AOK Baden-Württemberg werden mit dem Generikum der Firma Aliud versorgt, für das die AOK Baden-Württemberg einen Rabattvertrag geschlossen hat.Von den Importen durch die Firma kohlpharma profitieren in diesem Fall Privatpatienten, die statt des Novartis-Preises von 22,29 € lediglich 15,99 € zahlen. Es sei zudem bemerkt, daß wir Trileptal nicht in Rumänien einkaufen und auch keine Zulassung für dieses Einkaufsland besitzen. Vielleicht wäre es besser gewesen, der Frage nachzugehen, warum generische Alternativen in Rumänien nicht verfügbar sind.
    Zudem haben wir bewusst bei dem im Beitrag genannten Großhändler Farmexpert (Alliance Group) nachgefragt, der uns schriftlich bestätigte, daß bezüglich Trileptal, Humira sowie Avastin in den letzten Monaten eine vollständige Lieferfähigkeit in Rumänien gegeben war. Bezüglich der Frage nach der angeblichen Knappheit von Trileptal, ist es zumindest nachfragewürdig, warum auf der in den Beiträgen erwähnten „Mangelliste“ des rumänischen Ministeriums für Gesundheit Trileptal zwar aktuell aufgeführt ist, die Information sich aber auf eine Marktrücknahme von Novartis aus kommerziellen Gründen im September 2017 bezieht?
  3. Was Preisunterschiede in Europa z.B. für Humira betrifft, hatten wir die Redakteure informiert, daß wir unsere Arzneimittel bei Großhändlern einkaufen, die Übermengen bei knappen Produkten nicht zum Landespreis verkaufen, sondern gemäß marktwirtschaftlicher Gesetze mit einem deutlichen Preisaufschlag. Knapp ist in diesem Zusammenhang ein Arzneimittel dann, wenn die gesamten in Europa kostengünstiger als in Deutschland zur Verfügung stehenden
    Übermengen zur Deckung des deutschen Bedarfs an Importarzneimitteln nicht ausreichen.
  4. Falsch ist auch die Behauptung, daß Arzneimittelimporteure direkt vom Staat unterstützt werden. Richtig ist vielmehr, daß im SGB V § 12 das Wirtschaftlichkeitsgebot festlegt, daß Krankenkassen nur Leistungen bewilligen dürfen, die ausreichend, wirtschaftlich und zweckmäßig sind. Dieser Paragraph würde zur Folge haben, daß Apotheker grundsätzlich Importe abgeben müssten, wenn sie kostengünstiger als ihre Bezugsoriginale sind. Daher konkretisiert § 129 SGB V das Wirtschaftlichkeitsgebot bezüglich der Abgabe von Importen dahingehend, daß Importe 15% oder 15 € kostengünstiger als ihre
    Bezugsarzneimittel sein müssen. Die sog. Importquote ist, wie wir den Redakteuren eingehend erläuterten aber mithin ignoriert wurde, keine gesetzliche Regelung. Auch der von den Moderatoren und Herrn Dr. Hermann benannte Bürokratieaufwand der Apotheken ist (soweit er überhaupt existiert) Folge eines Rahmenvertrags, den der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit dem DAV, dem Spitzenverband der Apotheker, frei ausgehandelt hat. So hatten wir
    bereits mehrfach angeregt, dass die Apotheken ihre Importquote über alle Kassen erfüllen können sollten. Wir hatten den Redakteuren erläutert, daß die Vertragsparteien diesen Vertrag jederzeit ändern könnten. Im Übrigen vertritt Herr Dr. Hermann in der AOK-Welt und bei den Kassen insgesamt eine Einzelmeinung vertritt und kann nicht als repräsentativer Vertreter aller Kassen gelten.
  5. Ein weiterer, wenn auch unwesentlicher Fehler ist, daß Herr Jörg Geller zwar seit knapp 20 Jahren bei kohlpharma beschäftigt ist, jedoch erst seit 2010 als Geschäftsführer.
  6. Wir haben den Redakteuren weiterhin die Public Service Obligation erläutert. Nach dieser auf dem europäischen Recht beruhenden Regelung sind Großhändler verpflichtet, zunächst den nationalen Markt zu bedienen. Wir haben keinerlei Anhaltspunkte, daß sich unsere Lieferanten nicht an diese Vorgaben halten. Vielmehr tun sie das bereits aus eigenem geschäftlichem Interesse. Da der Großhandelsmarkt sehr wettbewerbsintensiv ist, ist Lieferfähigkeit ein wichtiges Argument, um die eigenen Apothekenkunden zu halten und das eigene Kerngeschäft erfolgreich zu betreiben. Aus diesem Grunde
    ist in keinem Fall davon auszugehen, daß Parallelhandel Knappheiten begründet. Patienten kommen nicht zu Schaden.
    Wir haben bezüglich der Frage, welche Präparate kohlpharma aus Rumänien importiert bestätigt, dass kohlpharma drei von acht angefragten Präparaten in 2017 aus Rumänien bezogen hat, wovon wiederum zwei generisch sind. Für diese gilt das oben zu Trileptal Gesagte. Zudem hatten wir auf Nachfrage ausgeführt, daß Rumänien für uns kein relevantes Einkaufsland ist. Seit 2009 haben wir insgesamt für nur 5,5 Mio. € dort eingekauft. Wenn wir als Marktführer mit 10 Prozent Marktanteil am gesamten europäischen Markt jährlich für durchschnittlich 600.000,- € Ware aus Rumänien beziehen,
    bedeutet das bei ähnlichem Verhalten unseres Wettbewerbs ein Exportvolumen von 6 Mio. € jährlich. Das wäre völlig unbedeutend bei dem dortigen Marktvolumen ist und weit entfernt von der recherchierten Zahl von 575 Mio. €, die angeblich alleine auf den Parallelhandel zurückzuführen sein sollen.
  7. Richtig ist, daß sich VAD und EAEPC für den freien Warenverkehreinsetzen und bei Verstößen gegen den freien Warenverkehr Beschwerden bei der Europäischen Kommission einlegen. Wir hatten mitgeteilt, daß solche Beschränkungen nur verhältnismäßig sind, wenn nur so Nachteile für die gesundheitliche Versorgung eines Mitgliedsstaates vermieden werden können. Dass Rumänien Exportbeschränkungen aufgehoben hat, beweist, daß diese genau nicht verhältnismäßig waren und daher zu Recht aufgehoben wurden.
  8. Über Cezar Irimia und die von ihm vertretene „Patientenorganisation“ haben sich die Redakteure nicht ausreichend informiert. Diese
    Organisation wird von dem gesamten „who is who“ der Pharmaindustrie gesponsert. Immerhin hatten die Redakteure selbst festgestellt, daß die Pharmaindustrie Exporte aus Niedrig- in Hochpreisländer nicht goutiert. Hier wäre der journalistische Reflex gewesen, diesem Zusammenhang nachzugehen. Ebenfalls nicht befasst haben sich die Redakteure hingegen mit den Versuchen der Industrie, diesen Handel durch aktives Tun zu beschränken.
  9. Falsch ist auch, daß Oliver Luksic für kohlpharma tätig ist. Tatsächlich arbeitet er für den EAEPC. Einen Interessenkonflikt hat Oliver Luksic jedenfalls nicht. Seine Partei ist weder im Saarländischen Landtag noch im Bundestag vertreten. Er war als Bundestagsabgeordneter nie im Bereich Gesundheit tätig. Der ebenfalls angesprochene Jorgo Chatzimarkakis war im Europaparlament als Abgeordneter des Saarlands gewählt. Es ist mehr als normal, daß sich Abgeordnete für die wichtigen Arbeitgeber und deren Arbeitsplätze in ihren Herkunftsregionen einsetzen, sofern das lauter ist.
  10. In unserem Mitarbeitermedium „kohlaktuell“ machen wir keine Werbung für die FDP. Vielmehr informieren wir unsere Mitarbeiter, daß unser deutscher Verband auf dem Bundesparteitag der FDP vertreten war und über unser Geschäftsmodell und dessen Nutzen informiert hat.
  11. kohlpharma hat zu keinem Zeitpunkt den Landtag gesponsert, aber wie viele der großen saarländischen Unternehmer zum Beispiel den Tag der deutschen Einheit und das Fest zum 50. Jubiläum unseres Bundeslandes. Mit Lobbying hat das nichts zu tun. In diesem Fall hätte es gereicht, etwas sorgfältiger die zitierte Quelle zu lesen.
  12. Die Einsparungen der Krankenkassen durch den Arzneimittelimport wird mit 91 Mio. € ohne Nennung einer Quelle angegeben. Die den Redakteuren vorliegende Prognos Studie zeigt deutlich höhere Einsparungen. Beide Beiträge ignorieren die dort errechneten direkten Einsparungen in Höhe von 240 Mio. Euro p.a. (aktuell für 2016: 247 Mio. Euro) aus den Preisunterschieden sowie die indirekte Einsparungen durch den Wettbewerbseffekt, den wir auf 3 Milliarden € jährlich schätzen.
  13. Falsch ist auch, daß Krankenkassen die Importquote in Frage stellen. Lediglich Dr. Hermann hat sich auf dieses Thema eingeschossen. Er ist einer der umstrittensten deutschen Kassenvertreter und läßt sich gerne als „Vater der Rabattverträge“ bezeichnen. Sicherlich ist es richtig, daß Kassen nicht mehr nur als Zahler, sondern auch als Akteure im Arzneimittelmarkt agieren und Preisverhandlungen führen. Tatsächlich haben aber gerade durch sein Wirken überzogene
    Rabattansprüche der Krankenkassen zu einem ruinösen Wettbewerb der Anbieter generischer Produkte geführt, die ihre Produktion ins Ausland verlagern mußten, Produktionsstandorte konzentriert haben und zahlreiche weitere Kosteneinsparungen durchzuführen gezwungen waren, die nicht immer zum Vorteil der Patienten sind. So haben diese Rabattverträge zu Knappheiten in Deutschland zum Beispiel im Impfstoffbereich geführt, auf die der Gesetzgeber mit einem
    Verbot von Ausschreibungen in diesem Bereich reagiert hat. Zudem geht eine deutlich verminderte Einnahmetreue der Patienten mit erheblichen Nachteilen für die Gesundheit aufgrund immer wechselnder Medikationen auf das Konto dieser Verträge. Dr. Hermann ist mithin der Letzte, der über Moral sprechen sollte. Hermanns Landes-AOK bemängelt unter der Überschrift „Deutsche: Medikamente zu teuer – Politik soll handeln“ zu hohe Preise patentgeschützter Arzneimittel in Deutschland im Vergleich zum Ausland und fordert die Politik zum Handeln auf. Er verkennt völlig, daß der Import von Arzneimitteln bereits genau diesen hohen Preisen durch Wettbewerb entgegenwirkt. Die angeblichen Einsparungen durch Rabattverträge von 213 Mio. € sind genauso wenig verifiziert wie die angeblichen Einsparungen von nur 7. Mio. € durch Importe und nicht einmal im Kontext der genannten Zahlen konsistent. Die AOK
    Baden-Württemberg hat nach Wikipedia Angaben 4 Mio. Versicherte. Würden sich die direkten Einsparungen der AOK Baden-Württemberg tatsächlich auf die viel zu niedrig angesetzten 7 Mio. € belaufen, müssten alle Kassen (7 Mio € geteilt durch 4 Mio. Versicherte mal 82,67 Mio. Deutsche) 144,67 Mio. € Einsparungen realisieren. So kann einfaches Nachrechnen bereits die 91 Mio. € Einsparungen als deutlich zu niedrig widerlegen.Herr Dr. Hermann hat sich intensiv bemüht, mit Anbietern patentgeschützter Arzneimittel Rabattverträge zu schließen und dabei in der Anfangsphase Ausschreibungen bewußt so gestaltet, daß Importeure von den Ausschreibungen rechtswidrig ausgeschlossen waren. Erst nachdem er in vergaberechtlichen Streitigkeiten mit uns mehrfach unterlag, begann er mit seiner Importkritik. Er verkennt dabei vollständig, daß sich kein Monopolanbieter eines patentgeschützten Arzneimittels auf einen Rabattvertrag einlassen würde, wenn es keinen Importwettbewerb gäbe. Realistischer Weise gehen daher alle durch solche Rabattverträge generierten Einsparungen auf das Konto des Imports.

Wie die umfangreiche Auflistung zeigt, wurden die beiden Redaktionen ihrem selbstgesetzt Ziel einer seriösen und faktenorientierten Berichterstattung in keinem Fall gerecht. Dies ist sehr bedauerlich.
Wir haben daher den CORRECTIV-Beitrag umgehend auf der Webseite (correctiv.org) in den Echtjetzt-Fakten-Check gegeben. Zudem behalten wir uns weitere Schritte vor.